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’s isch Fasnacht, ’s isch Fasnacht ...

Von Xaver Schorno

Reime um die Wurst: früher versorgten die Laufenburger Zunftbrüder Bedürftige – inzwischen ist daraus ein närrisches Spektakel geworden

Kein Mucks in den Gassen. Die Rheinbrücke, die sonst das deutsche Klein-Laufenburg und das schweizerische Groß-Laufenburg verbindet, ist für Autos gesperrt. Die Stadt im Dornröschenschlaf. Was ist los? Es ist Fasnachtsdienstag. Wo hocken sie nur, die Narros? „Keine Bange! Die Zunftbrüder sind pünktlich“, sagt eine Mutter zu ihrem Jungen, der von einem Fuß auf den anderen stapft. Der Wind bläst rote Backen.

Plötzlich stehen sie da. Die Türen der umliegenden Gasthäuser und Kneipen knallen hinter ihnen ins Schloss. Wie an der Schnur gezogen marschieren die Narronen auf. Schweizer und Deutsche treffen sich auf der Brücke beim Zoll und trennen sich wieder. Auge in Auge, ihrer Heimatstadt den Rücken zugewandt, stehen sie sich gegenüber. Jetzt geht’s los – in beiden Städten gleichzeitig. Inzwischen stehen auch unzählige Kinder in den Startpflöcken. „Wisst ihr denn schon, mit welchem Spruch ihr beginnt?“, ruft ein Absperrbengel (die Bodyguards der Zünftler!). Und schon tönt’s: „Es hocke drei Narre uf ’s Hanselis Charre. Wie lache die Narre, Narri und Narro!“

Der Zug setzt sich langsam in Bewegung. Die Narronen laufen rückwärts, Auge in Auge mit dem immer größer werdenden Menschenpulk. Mit tiefster Inbrunst schreien die Zünftler ihre Narrensprüche. In den Händen halten sie Orangen, Wecken und Würstchen. Die umgehängten Leinensäcke sind prall gefüllt. Die Jungen und Mädchen, die den Narronen folgen, müssen sich die Köstlichkeiten verdienen, indem sie laut und lauter die Fasnachtssprüche nachrufen. Prompt kommt der „Lohn“ durch die Luft gesegelt. Kinder und Jugendliche recken und strecken sich – es scheint, bis die Nähte der Jacken platzen. Geschiebe und Gedrücke. Geschrei und Gezeter. „’s isch Fasnacht, ’s isch Fasnacht, d’ Buure frässe Würscht. Und wenn sie alli g’frässe händ, so lönd sie langi Fürz.“

Beim Narrolaufen am Fasnetsdienstag schreien sich Narros und Kinder die Kehlen wund. Foto: Karl Oberle

Das fasnächtliche Treiben in den beiden Laufenburg hat einen ernsten Hintergrund. Narro Ludwig: „Das Gabenauswerfen stammt aus dem frühen 17. Jahrhundert. Die Fischer unterstützten damals die Witwen und Waisen ihrer verstorbenen Berufskollegen mit Lebensmitteln.“
Fischer und Fisch – vor allem der Lachsfang im Rhein – spielten in vergangenen Jahrhunderten eine wichtige Rolle im Leben der Laufenburger. Das „Bläz-Gewand“ der Narronen, das der Schuppenhaut eines Fisches gleicht, erinnert daran.

Die „Narro-Altfischerzunft 1386“ hält heute in beiden Laufenburg die Fasnacht hoch. Der traditionelle Narrolauf ist einer der Höhepunkte. „Es ist der höchste und auch schönste Tag der fünften Jahreszeit“, sagt Narro Ludwig.

Dem kann nicht widersprochen werden. Inzwischen sind die Säcke leer und mancher der Zunftbrüder krächzt wie ein Rabe. Und wie sie gekommen sind, so verschwinden sie wieder. Fast militärisch, in Reih und Glied treten sie ab. Sie ahnen es – ab in den „Rebstock“.

Zurück bleiben die Bengel, Farbtupfer in der großen Masse. Einen Augenblick herrscht Ruhe. Die Ruhe vor dem letzten Sturm. Da, im ersten Stock des Hotels öffnet sich ein Fenster! Ein Narro winkt heraus. Erneut geht es los. Aus vollem Hals schreien die Kinder die letzten Sprüche. Über ihren Köpfen, an Schnüren festgebunden, hängen die letzten Würstchen. Die letzten Nähte platzen.



‘s isch Fasnacht
‘s isch Fasnacht
d’ Buure frässe Würscht.
Und wenn sie alli
g’frässe händ, so lond sie langi Fürz!

Laufenburger Fasnetssprüchli




Aus: Stadt Gottes 3/2003


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