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Fasnetsküchlefahrt
Alle fünf Jahre steht Sipplingen am Bodensee seit 1976 im Mittelpunkt der "Fasnetsküchlefahrt" der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee. Mit einem "Müller-Thurgau" aus dem Bodmaner "Königsweingarten" waren die 400 Vertreter der Fasnachtsvereinigungen und Zünfte aus dem ganzen Südwesten des Landes und der Schweiz am Morgen in Bodman am gegenüberliegenden Ufer begrüßt worden, ehe sie im Jahr des 25. Jubiläums an Bord der "München" gingen; mit einem Kirschwasser und lauten Böllerschüssen wurden sie zwei Stunden später auf der anderen Seeseite in Sipplingen willkommen geheißen. Auf dem See zelebrierte der Rottenburger Weihbischof Thomas Maria Renz "mit frohen Liedern und Gebeten" die traditionelle Gedenkmesse und erinnerte "an die elf Frommen, die 1576 verfehlten die rettenden Stege". Mit ihrer nur alle fünf Jahre stattfindenden "Fasnetsküchlefahrt" erinnert die Narrenvereinigung Hegau-Bodensee an ein historisches Ereignis, bei dem im Jahre 1576 elf Sipplinger bei ihrer Rückfahrt aus Bodman im Bodensee ertrunken waren. Dort hatten sie nach einem überlieferten Brauch "Faßnacht-Kuechlin geholt", wie dokumentiert ist. Erst etwa 400 Jahre später war dieses Kapitel Fasnachtsgeschichte von dem damaligen Singener Kreisarchivar Herbert Berner in der Chronik des Überlinger Bürgermeisters Jakob Reutlinger wiederentdeckt und die Tradition begründet worden - schließlich ist das eigentlich tragische Ereignis ein Beleg für die Fasnet als festes Datum im Jahreslauf der damaligen Zeit. Auch wenn draußen alles benebelt sei, begrüßte Renz die Narrenvertreter auf dem Schiff, erschienen ihm alle "noch nüchtern". Auch bei seiner gereimten Predigt bewies Renz, dass Nachdenklichkeit und Humor durchaus eine fruchtbare Liaison eingehen können. "Das ist eine Gedenkmesse und keine Trauermesse", hatte Renz vorneweg an die vor 425 Jahren auf dem See ertrunkenen Sipplinger erinnert, denen die Narren die frohgemute Feier und die später gereichten Fasnetsküchle zu verdanken hatten. Dabei griff Renz nicht nur das defizitäre Wissen über die Ursachen des Unglücks auf: "Keiner von uns war damals schon dabei / deshalb weiß es auch keiner so genau / war's ein Sturm oder war's Schlamperei / oder waren sie vielleicht einfach nur blau?" Trotz kritischer Töne zu BSE, "Technik ohne Ethik und falscher Fortschrittsgläubigkiet", erteilte der junge Weihbischof zumindest den Narren gleich Absolution. Gott sei kein "Lustverächter oder Geizhals, der alle auf Askese drillt; kein Entenklemmer und Moralwächter - was ist das bloß für ein Gottesbild?" Mit Böllerschüssen und einem Spalier der knallroten Sipplinger "Trube-Griese-Rätscher" und der grauen "Stare" wurden die Honoratioren der südwestdeutschen Fasnet am Sipplinger Landesteg begrüßt und zogen, angeführt durch die Narrenkapelle, in einem Umzug durch das Dorf zur Festhalle. Die "Fasnetsküchlerede" hielt - in den Fußstapfen von "Fasnetsprofessor" Werner Mezger, dem Konstanzer Kreisarchivar Franz Götz oder "Karle Dipfele" Helmut Faßnacht - dieses Mal der Konstanzer Norbert Heizmann. In diesem Jubiläumsjahr ging er weit zu den Wurzeln der Fasnetsspeise zurück, um dann über die französische Revolution ("Liberté, Fraternité, Fasnetsküchle") zu einer Hommage an das Fasnetsküchle an sich zu kommen: "Die Menschheit hot, so tue ich monnen, durchs Fasnetsküechle nur gewonnen. Bloß unsere Sipplinger Gesellen, tat es einst das Schicksal vergällen." Zum Nachtisch gab es dann endlich die lang ersehnten Fasnetsküchle, die diesem Brauch ihren Namen gaben und die Sipplinger Narrenkapelle machte den Gästen Mut für die Rückfahrt nach Bodman: "Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern." Quellen: "Südkurier" vom 22. und 23.1.2001, (Hanspeter Walter) Der Originaltext aus Reutlingers Chronik: "Den 26. February nach Sonntag Singesima (Anno 1576) hat die gemaindt zu Unterbodman altem herkommen und gebrauch nach bei denen von Sipplingen das Faßnacht Kuechlin geholt. And seindt umb zwelff uhren frölich widerumben, haimbfahren, Vollgens seindt die von Sipplingen gleichermaßen hinuber gen Unterbodman gefaren und gleichfalls aus guter nachbarschaft das Kuechlin geholt und ganz frölich und guter ding gewest. Als sie nun wiederumben heimbfahren wellen sein fünffzehn man und Junggesellen in ain schifflin gesessen, welches mit ihnen untergegangen und seindt us ihnen die elf, under welch vier verheiratet gewest und viel Kinder gehabt. Die Sieben aber unverheiratet und lödigenstandts sämtlich ertrunken und sein allein die übrigens vier erhalten und einkommen." |
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Querverweise
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