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Fasnet – eine sprachlich-emotionale Betrachtung
Peter Haller

"Fasnet" – allein dieser mundartliche Ausdruck für "Fas(t)nacht" weckt bei eingefleischten Narren tausend und mehr Emotionen und Erinnerungen, "Fasnet", das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen wie eine "Mozartkugel", "Faaaas – net", welch lieblicher Klang, wie ungleich lieblicher als Fasnacht oder gar Fastnacht, und welch süßer Beigeschmack. "Fasnet", das klingt nach herrlich unbeschwerten Stunden, nach purer Lebensfreude, nach Narrenwitz, Schabernack  und Mäschgerle und "schmeckt" nach Fasnetsküchle, süßlich-schwerem Parfüm und nach brennenden Fackeln. Noch denkt ja keiner an das "bittere" Ende, Aschermittwoch ist noch fern.

Vielleicht gerade weil der Dialekt überall auf dem Rückzug ist, ist er wenigstens hier in der fünften Jahreszeit noch zu Hause, dort wo er hingehört. Man stelle sich einen Rottweiler Narr beim Aufsagen auf Hochdeutsch vor ... haarsträubend, wenngleich es durchaus amüsant sein kann, einem Narren zu lauschen, wenn er in einer Mischung aus Schwäbisch und Englisch mit japanischen Touristinnen beim Narrensprung Kontakt aufnimmt: "Gell, our fasnet is beautiful!" Obwohl unterm Jahr kaum eine Gelegenheit ausgelassen wird, der deutschen Sprache künstlich englische Wörter einzuverleiben, Fasnet bleibt Fasnet, nix "carnival", Fasnet ist auch in Englisch "fasnet", Fasnet ist nicht zu übersetzen, da Fasnet eben Fasnet ist und nicht "carnival". Mit "carnival" oder Karneval verbinden wir Prinzenpaar, Helau und Alaaf oder vielleicht auch halbnackte kaffeebraune Schönheiten in Rio, nix dagegen einzuwenden, Fasnet aber, das ist daheim, dort, wo wir unsere Wurzeln haben, mit Häs, Scheme, Narrensprung, Mäschgerle, Schnurren, Narrenbaum, Hemdglonker... Und selbst wer das ganze Jahr über unbetrübt fern der einstigen Heimat wohnt, wenigstens an der Fasnet überkommt ihn oft eine unerklärliche Sehnsucht, Heimweh nach dort, nach den Gassen und Winkeln, wo man einst die Jugend verbrachte, nach der Bäckerei, wo es schon immer die besten "Berliner" gab, nach den Menschen mit ihrer ganz eigenen, liebenswerten Mentalität, die es zuläßt, dass sie sich einmal im Jahr auf ihre ganz eigene Art zum Narren machen und ihren Emotionen freien Lauf lassen. Fasnet – das ist auch eine Liebeserklärung an die Heimat. Gerade an der Fasnet zieht es daher so manchen "Ausgewanderten" mal wieder nach Hause. Und wenn dann der Narrenmarsch ertönt, das Gschell erklingt und wenn Kleidle und Larven, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, wie einst an ihm vorüberziehen, nimmt die Fasnet den Heimkehrer auf eine Zeitreise mit, ja, es ist für Momente so, als sei die Zeit damals stehen geblieben, und er schämt sich nicht, wenn ihm vor lauter Rührung Tränen in die Augen treten.

Fasnet als emotionales Erlebnis kann man nur schwer in Worte fassen, erst recht nicht in unserem verarmten Neudeutsch: Fasnet ist "cool", Fasnet ist "geil" - nein, das trifft es beileibe nicht, das kratzt bestenfalls an der Oberfläche, wo beim "Hey Baby" närrische Ausgelassenheit herrscht, erfasst jedoch nicht die emotionale Tiefe des Fasnetsbrauchtums, die auch nicht jeder Narr so ohne Weiteres nachzuempfinden vermag. Das Attribut "Die höchschde Feierdäg" oder der Rottweiler Narrenruf "Huhuhu", der "Grüß Gott" und "Ade" über die Fasnetstage ersetzt, oder die von Herzen gewünschte "glückselige Fasnet" sagt da schon etwas mehr aus über die Befindlichkeit des Narren, die ihn für Stunden und Tage in eine andere, eben "glückselige" Welt entrückt und in einen emotionalen Ausnahmezustand versetzt. Aus der Sicht mancher humorloser Zeitgenossen mag er als "verrückt" erscheinen, doch in seiner Hochstimmung, die ihn ein Stück Himmel auf Erden erleben läßt, prallen derartige Anfeindungen einfach von ihm ab. "Jetzt isch Fasnet", heißt es spätestens am "Schmotzige Dunschtig", spätestens jetzt teilt sich die Welt in Narren und Nicht-Narren, und um nichts in der Welt möchte der Narr jetzt irgendwo anders sein, als genau hier, wo es noch viele andere gibt, die ihn und seine Gefühle so gut verstehen, weil es ihnen ganz genauso ergeht. Jetzt ist die Stunde der Wahrheit gekommen, ein rechter Narr "outet" sich (schon wieder so ein Modewort) spätestens jetzt und beginnt die "Feiertage" mit einem kräftigen Juchzger. Der Narren "Lieber oimal em Johr närrisch, als 's ganze Johr verruckt" steht jetzt gegen "mir send's ganze Johr närrisch" der Fasnetsmuffel, eine tiefgreifende Offenbarung (das wäre doch was fürs "Outen"), zweifellos. Ob Letztere sich dessen wirklich bewusst sind? Wohl kaum. Und dabei haben sie ja so recht, man schlage nur die Zeitung auf – Narrheiten, Narrheiten ohne Ende ... und das jahrein, jahraus. Wohl dem, der ein Narr und zudem noch zu der höchsten menschlichen Erkenntnis der eigenen Narrheit gelangt ist...
(2002)

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