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Die Narretei im Fokus
Der international renommierte Fotograf Axel Hoedt hat sich der Fasnet gewidmet

von Patrik Müller


Schuddig-Umzug
Alle Fotos: Axel Hoedt bei seiner närrsichen Arbeit mit einem Endinger Altjokili | Fotos: Patrick Müller
Als Kind konnte der Staufener Axel Hoedt überhaupt nichts mit Fasnet anfangen. Er wurde Modefotograf und floh nach London. Vor drei Jahren kehrte er zurück, um Narren zu fotografieren, wie sie nie zuvor fotografiert worden waren. Die Bilder aus Kißlegg und Konstanz, aus Endingen umd Empfingen räumten wichtige Preise ab – und wurden sogar in London ausgestellt.

Still und starr steht der Narr. Den Mund geschlossen, den Blick in die Ferne. Kein Narri und kein Narro, kein Toben und kein Tanzen – selten sahen Hästräger so teilnahmslos aus. Frohsinn? Fehlanzeige. Kein Zweifel: Axel Hoedt wollte Fasnet mal ein bisschen anders fotografieren. Ohne Luftsprünge. Ohne schräg gelegte Köpfe. Und ohne pittoreskes altes Gemäuer im Hintergrund.

Hoedt platzierte seine Narren vor weißer Leinwand, vor Wellblechgaragen, vor hässlichen Bausünden aus den 70er- Jahren. Einige Fotos haben leuchtende Farben, andere wirken merkwürdig flau und kontrastarm – so, als ob Hoedt durch eine Nebelwand fotografiert oder zwei dicke Seidenstrümpfe vor seiner Linse befestigt hätte. Einige Bilder entstanden im Studio, einige on location. Sauber ausgeleuchtete Detailfotos seltener alter Masken sind ebenso dabei wie Ganzkörperaufnahmen – und Fotos, auf denen nichts zu sehen ist außer einer leeren Halle mit ein paar bunten Tüchern an der Decke.

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Drei Wochen lang war Hoedt während der Fasnet 2008 in Süddeutschland unterwegs. Knipste Endinger Jokili und Empfinger Strohbären, Wolfacher Hahnenreiter und Singener Fellbären. Der Fotograf war mit großer Ausrüstung unterwegs. 5000 Englische Pfund gingen für das Filmmaterial drauf, 1000 Euro für den Mietwagen. Gemeinsam mit seinem Assistenten Bernhard Deckert verwandelte er Bürgersäle, Mehrzweckhalle und Zunftstuben in Foto-Studios. Mit weißer Leinwand, zwei großen Blitzgeräten, summenden Generatoren und schweren Fotokoffern. Ein paar Meter weiter lagen wertvolle Masken neben Polaroid-Abzügen und Schweinsblasen neben Belichtungsmessern. Stundenlang fotografierte er die Narren. Endingens Zunftarchivar Wolfgang Koch gestand danach, er habe sich gefühlt wie die „Kate Moss von Endingen“.

Eine eindeutige Handschrift fehlt Hoedts Fotos. Ein dokumentarischer Anspruch aber auch. „Es ist primär ein Fotoprojekt und kein Fastnachtsprojekt“, sagt Hoedt. „Ich habe mir die Zünfte nach rein persönlichen Kriterien ausgesucht.“ Am meisten interessierten ihn Masken. Und zwar solche, denen man deutlich ansieht, dass sie benutzt und „belebt“ wurden. Philosophisch ist das ohnehin der spannendste Punkt seiner Fotoserie: Beim Gros der Bilder handelt es sich um Porträts. Die Frage ist nur, wovon: von Masken oder Menschen? Man kann sogar weiterfragen: Ist ein Porträt von jemandem, der sich verhüllt, überhaupt ein Porträt?

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Hoedt ist kein Volkskundler, er sieht sich als Künstler. Seine Fasnetsfotos, meint er, würden mehr über ihn selbst aussagen als über den Dargestellten. Sein Background als Modefotograf bringt eine zusätzliche Komponente hinein: „Der Aufwand bei so einer Fastnachtsfigur“, sagt er, „ist vom Zeitlichen durchaus mit einem Couture-Dress zu vergleichen.“ Dafür sprechen seiner Meinung beispielsweise Opulenz und Detailverliebtheit der Masken und Kostümierungen – aber auch der große Wert, der auf Handarbeit gelegt wird. Streng genommen ist die Mode sogar schuld, dass Hoedt überhaupt auf die Idee zu diesem Projekt kam: Zu Besuch in seiner alten Heimat Staufen blätterte er mit seiner Freundin, einer Modedesignerin, in einem alten Buch über Fastnacht. Die meinte nur: „Das Zeug sieht ja echt irre aus.“

Hoedt fing an, sich für Fasnet zu begeistern. Früher hatte er damit nie so viel anfangen können – als Kind war ein Indianerkostüm das höchste aller Gefühle. Organisiertes Brauchtum, sagt er, war ihm nicht ganz geheuer. Damals. Nach seinem kleinen Erweckungserlebnis recherchierte er von London aus, was es denn so für Zünfte gibt in Süddeutschland, las Bücher zum Thema und surfte durchs Internet. Und machte Termine für seine Fotoshootings aus. Viele Zünfte wollten mitmachen, einige aber auch nicht. Eine Frage wurde ihm ganz oft gestellt: Wieso machen Sie das? Sie wollen doch sicher Geld, oder? Wollte er nicht. Modelhonorar war aber auch nicht drin. „Finanziell“, meint Hoedt, „ist so eine Geschichte ein Drama. Aber ich habe keinen Auftraggeber – und kann machen, was ich will.“

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Bei seinem Projekt sei er immer nur seiner Nase gefolgt. „Die Fotoserie hat einen leicht wirren Ansatz, es gibt keine klare Linie.“ Viele Leute halten seine Fotos für ganz schön düster. Das Zeit-Magazin, in dem die Bilder vor zwei Jahren zum ersten Mal erschienen, fand die Überschrift „Furchtbar komisch“ – und meinte, dass die „unheimlichen Gestalten und Fabelwesen an Protagonisten aus einem David-Lynch-Film“ erinnern. Nun ja. „Sie sind wirklich ein bisschen düster“, meint Hoedt, „aber es ist halt ’ne persönliche Story – wieso soll ich die Bilder eines anderen fotografieren?“

Sein subjektiver Ansatz ist Stärke und Schwäche zugleich. Tatsache ist: So wurde Fastnacht noch nie fotografiert – seine Narren offenbaren durch Hoedts der modernen Modefotografie entlehnten Bildsprache eine Menge Details, die man sonst gerne mal übersieht. Tatsache ist aber auch: Die Serie wirkt dadurch ein bisschen beliebig. Was hat die perfekt ausgeleuchtete Drahtmaske eines Endinger Altnarren auf weißer Leinwand mit dem Polaroid-Foto eines Singener Fellbären zu tun, der mit hängenden Schultern im Garten hinter dem Haus steht?

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Villlinger Wuescht aus der Sicht des Starfotografen | Foto: Axel Hoedt

Hoedts Bilder polarisieren. Viele professionelle Kritiker waren begeistert, die Vermarktung lief am Anfang jedoch nicht ganz so gut wie gewünscht. Für viele Narren steckt in seinen Fotos zu viel Interpretation, andere finden sie zu statisch, einige zu modern. Große Kunstverlage wiederum finden das Thema zu provinziell. Mit Fastnacht, heißt es dann, habe man hier in London eher nichts am Hut. Ein Lektor aus New York meinte, die Fotos seien das Großartigste, was er seit Langem gesehen habe – nur einen Tick zu speziell für seinen Verlag. „Viele andere“, erzählt Hoedt, „haben mir gesagt, dass sie schockiert waren. Sie wussten nicht, dass es so etwas in Europa überhaupt noch gibt.“

Viele professionelle Kritiker waren dennoch begeistert. Zu Beginn des Jahres 2010, zwei Jahre nach dem Fotoshooting, erhielt Hoedt den Lead Awards, einen der wichtigsten Preise der europäischen Kreativwirtschaft – in der Kategorie Porträt. Weitere Auszeichnungen und Nominierungen folgten: Bronze bei den Art Director Awards, Aufnahme in die Shortlist für den renommierten Henri-Nannen-Preis. Im Herbst 2010 wurden die Aufnahmen in der Londoner Fashion Space Gallery ausgestellt und im New Yorker Fotokunstmagazin „Aperture“ präsentiert. „Vom Ausland aus“, sagt Hoedt, „ist die ganze Fastnachtssache schon extrem exotisch.“

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