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Narren spinnen und Seilermeister auch
Die knallenden Peitschen für das Hänsele werden immer noch in Handarbeit hergestellt

von Franz J. Schmid

Irgendwann im Spätjahr, da fangen die Narren allmählich an zu spinnen. Einer spinnt ganz besonders, der Seilermeister Bernhard Muffler nämlich. In seiner Stockacher Werkstatt zwirbelt er seit Oktober die Hanffasern zu langen Litzen zusammen, aus denen die Karbatschenleine geflochten und gedreht wird. Das ist eine Peitsche, wie sie seit Jahrhunderten von Hirten benützt wird. Sie ist hinten am Stiel drei Daumen dick und läuft dem Ende zu immer dünner aus. Laut Lexikon kommt das Wort aus dem Türkischen und Ungarischen. Schon seit 1789 soll die Karbatsche von Überlinger Narren benutzt werden. Mancher Träger eines Hänsele-Kostüms besitzt drei, vier von den Peitschen, die nicht gerade billig sind.




Mit einem Schmiss im Gesicht fängt’s meistens an
Der sechsjährige Louis steht in Mufflers Laden. Er holt die erste Karbatsche seines Lebens, und der Großvater zahlt: 49,80 Euro für das zwei Meter lange Stück. Etwa doppelte Körpergröße ist das Maß für einen Erwachsenen. Aber manchem reicht auch das nicht. Ein Landschaftsgärtner kommt in den Laden, der will die Leine vier Meter lang haben. Er schnellt schon seit Kindertagen, „und wenn ma den Trick raus hot, noch isch des en Mordsspaß“. Anfänger allerdings fetzen sich oftmals die Peitsche ins Gesicht, dann gibt es einen bösen Schmiss in die Backe.

Schnüre, Leinen und Tauwerk aller Art werden heutzutage zum größten Teil auf Maschinen hergestellt. Die laufen in der Stockacher Seilerei Tag und Nacht. Doch bei Karbatschen versagen Apparate. Bernhard Muffler bindet mit dem Schürzentuch einen dicken Bund Hanf vor den Bauch. Er hängt eine Hand voll in den drehbaren Haken, und während er rückwärts geht, wird der Haken vom Elektromotor angetrieben und dreht die Fasern zusammen. Der Seiler lässt den entstehenden Faden durch die linke Hand gleiten und gibt zugleich mit der rechten den Hanf zu, allmählich immer weniger, die entstehende Litze wird dünner. Keine Minute dauert es, und dieser Faden ist drei Meter lang. „So hot man des schon vor 3000 Johr g’macht“, sagt der Seiler.


Foto: Hardy Gerz; Alle anderen Fotos: Peter Haller


Es knallt durch Überschall
Die Spinnerei sieht ganz einfach aus und erfordert doch viel Übung und Fingerspitzengefühl. Aber wer Karbatschen herstellen will, muss das können. Drei Litzen dreht der Meis-ter zu einem Seil zusammen, und acht Seile braucht er, um die Karbatsche zu flechten. Nach und nach schneidet er immer wieder eine Litze ab und bindet sie ins Flechtwerk ein. So wird aus dem dicken Seil am Ende eine dünne Schnur. An deren Ende wird ein Stoffstreifen aus Perlon verwendet. Dieses Band erzeugt den scharfen Knall. Beim „Schnellen“ läuft eine Welle über die Leine, die mit einem plötzlichen Ruck endet. Dabei entsteht wohl für den Bruchteil einer Sekunde ein winziges Vakuum, das sofort wieder zusammenbricht – und dann schnellt’s.

Franz Busson ist eigentlich Bankkaufmann, doch wenn einer seine Karbatsche zerfetzt hat, dann repariert er das Stück. Er hat schon als Bub die Handkurbel gedreht, wenn sein Vater Seile spann. Die lädierte Karbatschenleine hängt er an die Fensterklinke in seiner Bauernstube und dröselt die Litzen bis zur Schadstelle auf. Dann flicht er neue Hanfschnüre ein, zuerst sechsfach und am Ende zweifach. „Da sieht man keinen Übergang“, sagt er befriedigt. Besonders stolz ist er auf ein Sonderprodukt. Er hat die Karbatschenleine aus Metallseil am Hänselebrunnen in Überlingen gefertigt. Bei Muffler in Stockach werden zwischen Oktober und Februar mindestens 300 Karbatschen gesponnen und geflochten. Wer in der närrischen Hochsaison eine kaufen will, muss ein paar Tage warten. Am Aschermittwoch ist dann mit einem Schlag alles vorbei.

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