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MUMMENSCHANZ IN SÜDTIROL
In den Trentiner Alpen ist die Jugend Fastnachtsmotor

von Günter Schenk

In Schwarz kommt der Matóci, das Gegenstück zum weißen Harlekin, Foto: Günter Schenk
Schon im Januar startet der Maskenreigen, zeigen sich die ersten Vermummten im oberen Fassatal. Die schönsten im meist verschneiten Penia, wo man am Donnerstag vor Fastnacht zu Spiel und Tanz lädt. Durch alle 13 Ortsteile Valflorianas zieht samstags singend und tanzend eine bunte Schar. Hoch her geht es sonntags beim Carnashér Fashan in Campitello, der Urlaubshochburg im Fassatal. Hier krönt ein Hochzeitszug das fastnächtliche Treiben. Einen langen Weg haben die Narren im Fersental vor sich, einer deutschen Sprachinsel im Südosten Tirols. Kostümiert geht es dort von einem Hof zum anderen. Im benachbarten Val di Cembra schließlich endet die Fastnacht mit einem riesigen Feuer.
So vielfältig die Bräuche in den Trentiner Alpen auch sind, eines ist ihnen allen gemeinsam. Immer sind die Coscritti ihre wichtigsten Träger, die wehrpflichtigen Junggesellen. Für die Burschen in den Dörfern markiert die Fastnacht die wichtigste Etappe auf dem Weg zum Erwachsensein. Nach dem Schulabschluss gilt es, im närrischen Spiel seinen Mann zu stehen, sich erstmals als vollwertiges Mitglied der Dorfgemeinschaft zu beweisen. So wie in Palù (Val dei Mocheni), wo die Kosskrötn zum Zeichen ihrer Würde neben Anzug und Krawatte besonders schön geschmückte Hüte tragen.


Mit rußgeschwärzten Gesichtern ist die Jugend am Fastnachtsdienstag im Val dei Mocheni unterwegs
Fotos: Günter Schenk
Drei aus ihrer Mitte spielen die Hauptrollen. Ein närrisches Paar samt Eierträger, die sich mit ruß- geschwärzten Gesichtern am Tag vor Aschermittwoch vom höchstgelegenen Hof des Dorfes Richtung Tal aufmachen. Der Alte im langen, weißen Hemd mit Strohbuckel. Die Alte mit einem Besen in der Hand, mit dem sie ihrem Gemahl immer wieder zu Leibe rückt. Eine große Kraxe schleppt der „Oeartrogar“ mit sich, mobile Sammelstelle für alle Gaben, die das Trio auf seinem Zug von Haus zu Haus erhält.

Vor jeder Tür verstreuen sie Sägemehl, säen so symbolisch Wohlstand und Gesundheit. Ein archaischer Akt, vererbt von einer zur nächsten Generation. Schließlich trifft man sich mit den übrigen Burschen und Mädchen im Wirtshaus zum Tanz, bei dem der Alte plötzlich umfällt und trotz gestenreicher Rettungsversuche regungslos liegen bleibt. Höchste Zeit für die Alte, jetzt sein Testament zu verlesen. Eine pointenreiche Lebensbeichte, die dem Alten schließlich wieder auf die Beine hilft. Es folgt ein neues Tänzchen, bei dem die Alte umfällt. Wieder wird ein Testament verlesen, haben die Gäste viel zu lachen. So geht das von einem zum anderen Weiler. Bis Sonnenuntergang, wenn die Fastnacht mit der Verbrennung der Testamente ihr Ende findet.

Mit dem Dreikönigtag beginnt im Fleimstal die Maskenzeit, besuchen sich die Bewohner der 13 Weiler gegenseitig. Am Karnevalssamstag aber feiern alle gemeinsam, zieht man kreuz und quer durch Valfloriana. Matóci heißen die närrischen Helden hier. Burschen in dunklen Kitteln, mit bunten Hüten auf dem Kopf, von denen farbige Schleifen baumeln. Große Glocken am breiten Hüftgürtel künden schon von Weitem ihr Kommen. Mit ihnen sind die weiß gewandeten Arlechini unterwegs, das Gegenstück zum griesgrämigen Matóci. Große Spitzhüte tragen sie, bestückt mit Kunstblumen und allerlei Zierrat. In der Hand bunte Seidentücher, die sie beim Tanz im Rhythmus schwingen. Volkskundler wollen in ihnen das Weibliche verkörpert sehen, die Jugend und den Frühling. Für das Gegenteil, für Männliches, Alter und Winter stehen die Matóci, die beim Umzug den Arlechini vorauseilen.
Wie bei den meisten alpenländischen Bräuchen ist auch im Fleimstal der Kern des Maskentreibens ein Hochzeitszug. Mit einem Mann als Braut und einer Frau als Bräutigam. Verkehrte Welt, die das Wesen der Fastnacht ausmacht. Jahr für Jahr präsentiert sich so ein bunter Haufen voller Spielwitz, der in jedem Weiler für Unterhaltung sorgt. Und natürlich kommen während des Mummenschanzes auch all die fastnächtlichen Köstlichkeiten Tirols auf den Tisch. Fettgebackenes, das man gern auch mit Fremden teilt.

Vielfältig sind die alpinen Masken im Fleimstal
Im Fassatal streifen die Narren ab 17. Januar, dem Fest des heiligen Antonius, durch die dann meist verschneite Landschaft. Maskenhochburg ist Penia im obersten Talabschnitt. Auch hier haben zu Fastnacht die Junggesellen das Sagen. Bufón heißt der närrische Held hier, ein Hofnarr mit langer spitzer Nase, an der gewöhnlich ein Glöckchen baumelt. In wohlgereimten Versen beleuchtet er das Dorfleben, bringt vor versammelter Gemeinschaft all das zur Sprache, was die Menschen in Penia das Jahr über amüsiert hat. Literarisch nicht immer wertvoll, dafür garantiert derb und volksnah. Laché heißt sein Lakai. Ein Zeremonienmeister mit buntem Stab, der auch die übrigen Masken dirigiert. Vor allem die Marascons, die in Zweier- oder Vierergruppen unterwegs sind, Burschen mit großen Bronzeglocken am Gürtel. Im Gefolge der traditionellen Ladiner Masken finden sich schließlich noch eine Reihe schöner und hässlicher Gestalten. Groteske Figuren alpenländischen Lebens. Zu immer neuen Späßen aufgelegte Bauern und Handwerker. Vermummte, die sich selbst gern auf die Schippe nehmen.

Findet der Karneval zu Penia gewöhnlich im Saal statt, zeigen sich die Narren beim Carnashér Fashan in Campitello auf den Straßen. In der Urlaubshochburg zu Füßen der Sellagruppe ist der sonntägliche Fastnachtszug die Krönung des närrischen Treibens. Auch hier finden sich schöne
und hässliche Masken, gute und böse Gestalten. Vollgefressene Dickbäuche neben spindeldürrem Lumpenpack. Und natürlich sind auch hier Bufón, Laché und Marascons mit von der Partie. Fastnacht war über Jahrhunderte einer der wichtigsten Hochzeitstermine im Land, die damit verbundenen Bräuche Volksgut. Spos e Maridòc heißt einer, der die Geschichte von Brautleuten erzählt, vom ersten Kennenlernen bis zum Verpfänden ihrer Habe in den Tagen nach der Heirat. Ein Rollenspiel, das wie andere beim Carnashér Fashan zur Aufführung kommt. Im Rahmen eines einzigartigen Hochzeitszuges, den Braut und Bräutigam anführen. Dazu die verflossenen Liebhaber der beiden, Eltern und Großeltern, Freunde und Verwandte, kurz das halbe Dorf samt Bürgermeister. Und natürlich darf der Chor nicht fehlen, Sänger und Sängerinnen, die mit Kerzen und Laternen unterwegs sind, um spät abends dem Brautpaar ein Ständchen zu bringen. Schluss des Zuges bildet eine Altweibermühle, in der sich alte Weiber in junge Mädchen verwandeln. Der Traum vom ewigen Jungsein hat hier Gestalt gefunden. Ein närrisches Späßchen, das zwei Stunden beste Stimmung garantiert. Auch für die vielen Skiurlauber, die den Mummenschanz in Campitello dem Pisten-Stress an Sella oder Marmolada vorgezogen haben.


Vielfältig sind die alpinen Masken im Fleimstal


Informationen
In Penia sind die Traditionsmasken am Karnevalsdonnerstag und -dienstag anzutreffen. Anreise über die Brennerautobahn, Ausfahrt Egna/Ora, dann weiter Richtung Canazei, dort nach Penia abzweigen. In Valfloriana (Fleimstal) sind die Narren am Karnevals-samstag unterwegs. Sie starten vormittags, Abschluss ist spätnachmittags im untersten Weiler Casatta. Anreise über die Brennerautobahn, Ausfahrt Trento-Zentrum. Dann weiter Richtung Valsugana, wo der Weg über Civezzano, Torchio und Sover nach Valfloriana ausgeschildert ist.
Campitello (Ciampedel) lädt am Karnevalssonntag um 14.30 Uhr zum Carnashér Fashan. Anreise wie nach Penia.
In Palù (Val dei Mocheni) starten die Narren morgens zu ihrem Zug von Hof zu Hof. Am spektakulärsten ist der Tanz der Alten auf einem Felsen zwischen den Weilern Lenzi und Stefani. Anreise über die Brennerautobahn, Ausfahrt Trento- Zentrum. Dann weiter Richtung Valsugana bis Pergine, von dort ins Val dei Mocheni bis Palu.
In Grauno im Val di Cembra verbrennt die Jugend ihren Baum in der Nacht zum Aschermittwoch. Zuvor wird der Baum durch das Bergdorf geschleppt, gibt es Tanz und Belustigungen auf dem Festplatz. Anreise über die Brennerautobahn, Ausfahrt Egna/Ora, weiter über den Lugano-Pass bis Castello di Fiemme, dann auf der rechten Seite ins Val di Cembra bis Grauno.


Vielfältig sind die alpinen Masken im Fleimstal

Bufón heißt der närrische Held im Fassatal. Ein Hofnarr mit Spitznase, an der gewöhnlich ein Glöckchen baumelt

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