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Tiroler Chaos:
Hexen, Teufel, wilde Männer
Nur alle vier Jahre wird in Fiss der Bloch gezogen

Text: Günter Schenk

Ein gut 30 Meter langer Baumstamm, montiert auf drei beweglichen Schlitten: Das ist der Bloch, der alle vier Jahre im Tiroler Wintersportort Fiss gezogen wird. Die lustige Fahrt ist Kern eines Maskenspiels, das zu den ausgefallensten Österreichs und inzwischen auch zum immateriellen Kulturerbe der Alpenrepublik zählt.


Der Bajatzl turnt auf den Dächern von Fiss und vollführt waghalsige Kunststücke.
Foto: Tourismus Fiss



Wütend drischt die Oberhexe mit dem Besen auf die Mannen an der langen Deichsel. Fast 60 Maskierte lenken ihren schweren Schlitten. Bauern und Wirtsleute, Waidmänner und Handwerker, Mohrelen und Bärentreiber, dazu ein Dutzend Burschen in Tiroler Tracht. Hinten bremst ein Teufel das Gefährt, macht der Fürst der Hölle Ärger. Beim Blochziehen in Fiss setzen die Bösen den Guten ganz schön zu.

Beim Blochumzug geht´s eng zu. Foto: Tourismus Fiss


„Iatz geats lous, iatz springa d’Schallner.“ Im geübten Gleichschritt hüpfen die Burschen in ihren Lederhosen durch die Gassen. Schwere Schellen haben sie umgeschnallt, die lautstark für den Auftakt sorgen. Blickfang freilich ist der Bajazz im rot-gelben Narrenkleid. „Bajatzl“ nennen ihn die Einheimischen. Wie ein Derwisch fegt er vom einen zum anderen Hof. Springt artistisch von Dach zu Dach, so waghalsig oft, dass manchem Betrachter der Atem stockt. Mit Händen und Füßen kehrt er den Schnee von den Häusern. So, als gelte es, ganz schnell dem Frühling Platz zu schaffen. „Hüo!“ Mit der Peitsche bringt der Fuhrmann den Bloch schließlich in Fahrt, einen meterlangen Baumstamm, den größten Zirbenbaum, den die Gemeinde auftreiben konnte. Schritt für Schritt geht es durchs Dorf, obenauf die Oberhexe in ihrem Bretterverschlag. Hinten sorgt ein Harmonikaspieler für gute Laune, macht Musik für die maskierten Männer vor dem Schlitten, die das tonnenschwere Gefährt manch steiles Gässchen hinaufwuchten müssen.

Der "Schwoaftuifl" in Aktion. Foto: Tourismus Fiss


Der Giggler, Bote der Fruchtbarkeit, hat es auf die
Damenwelt abgesehen. Foto: Tourismus Fiss





























Vor der Kirche ist Halt. Zeit für die Hexen, mit ihren Besen die Zaungäste aufzumischen, den einen oder anderen zu necken. Wohlgesetzt sind ihre Verse, in denen sie das Dorfleben auf die Schippe nehmen. Rügerecht nach Narrenart. Ohne Worte kommt der Giggeler aus. Ein riesiger Hahn, der es auf die Damen abgesehen hat. Ein „Bote der Fruchtbarkeit“ sei er, erzählen augenzwinkernd die Einheimischen. Einer, der auch beim Après-Ski seinen Mann stehe.

Bär und wilder Mann – allegorische Figuren der
Tiroler Fastnacht. Foto: Tourismus Fiss

Die Fisser Hexen haben das Recht, zu rügen.
Foto: Tourismus Fiss














Auch am Dorfrand geht es hoch her. Zwischen den Wintersportquartieren tobt ein großer Bär.
Ein Kraftprotz, der gut vor den Bloch passt. Ein paar Mohren legen ihn schließlich in Ketten. Pechschwarze Gesellen, die Mühe haben, den Kerl im Pelz zu bändigen.
„Das ist der große braune Bär, er kommt tief vom Walde her, seine Augen leuchten feuerrot und das bedeutet den sicheren Tod“, schreit einer von den Schellern, den Burschen in Tiroler Tracht.

Letzten Endes aber zwingen sie ihn doch noch an die Deichsel. „Wir halten ihn fest in Bann und Eisen, dass er niemand von euch kann zerreißen.“ Eine Warnung an die Umstehenden ist das, ihm ja nicht zu nahe zu kommen. „Hüo!“, weiter zieht der Bloch. Nur ein kurzes Stück allerdings, denn der Weg wird steiler. Ein neuer Muskelprotz muss ran, ein Wilder Mann mit grimmigem Bart. Ein Naturbursche, über und über mit Grünzeug behangen.

Foto: Tourismus Fiss


„Das ist der große wilde Mann aus alter, grauer Zeit, bei Moos, Wasser und Schwämmen hier im Wald aufgewachsen. An Stärke ohnegleichen können zehn von euch mit ihm sich nicht vergleichen, aber wir halten ihn gut gefangen, dass er kann nicht zu euch gelangen, sonst könnt es kosten manchem seinen Kopf und mancher Jungfrau ihren Zopf“, tröstet ein Tiroler das Publikum. Alle Besänftigungen aber nutzen nichts. Die Bösen übernehmen das Ruder, Teufel und Hexen sorgen für Chaos. Zu aller Leidwesen haben sie Bär und Wilden Mann von der Kette gelassen. Bühne frei für ein wildes Gerangel. Dorffastnacht vom Feinsten ist das, ein kollektives Rollenspiel mit immer neuen Einfällen. Zum Schluss aber, so will es die Dramaturgie, siegen die Guten, gelingt es den Mohrelen, die Bösewichter wieder vor den Bloch zu spannen. Machtlos muss der Teufel mit ansehen, wie der Fuhrmann seine Mannschaft noch einmal auf Trab bringt.

Die Schallener springen, jetzt geht's los!
Foto: Tourismus Fiss



„Blochbuomziacha“ nennen die Einheimischen den Brauch, der zu Beginn des letzten Jahrhunderts neu belebt wurde. Früher durften nur ledige Männer beim Blochziehen mitmachen, doch inzwischen sind auch in Fiss die Junggesellen rar. Seit 1969 ist beim lustigen Spiel deshalb auch für Verheiratete Platz. Wie bei allen großen Tiroler Volksfastnachten allerdings nur für Männer, die in Fiss zu Hause sein müssen.

Früher war das anders. So spendierte einst der Tiroler Herzog Sigismund Mitte des 15. Jahrhunderts den Frauen von Innsbruck Geld, um einen Bloch durch die Straßen zu ziehen. Damals diente das Blochziehen der Verspottung lediger Frauen und Mädchen, die man zur Fastnacht vor den kahlen Baumstamm spannte. Der schwere Klotz, dessen ist sich die Forschung heute sicher, war symbolisch nichts anderes als ein grober Mensch. Ein „ungehobelter“ Partner, den jede ledige Frau nach Gutdünken zurechthauen sollte. Heute wird beim Blochziehen niemand mehr diskriminiert, dient der Brauch inzwischen gar dem Gemeinwohl. Zum Schluss nämlich wird der Stamm für einen guten Zweck öffentlich versteigert. „Je höher das Gebot“, freut sich der Bürgermeister, „je größer der Nutzen.“ Vereinsarchiv und Kriegerdenkmal in Fiss zum Beispiel verdanken ihr Dasein der Blochbaumversteigerung.

www.serfaus-fiss-ladis.at


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